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Queer History in Deutschland

  • accessallgaeuarea
  • 21. Juni 2021
  • 6 Min. Lesezeit

EIN ABRISS



[Achtung Triggerwarnung wegen Beleidigung, Homophoben Aussagen und Gewalt]

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die LGBTQIA* Community die Öffnung der Ehe erstmals 1989 gefordert hat, ist der Erfolg, der in so kurzer Zeit errungen wurde, beeindruckend. Aber Homophobie und Transfeindlichkeit respektive die feindselige Einstellung gegenüber der gesamten LGBTQIA* Community sind noch nicht überwunden, sondern in Teilen der Gesellschaft weiterhin verbreitet. Beleidigungen und Herabwürdigungen, Diskriminierungen und Benachteiligungen, Anfeindungen und Übergriffe bis hin zur offenen Gewalt gehören weiterhin zur Wirklichkeit, auch in Deutschland. Erst um den 20.06. herum machte Uwe Junge, Mitglied der AfD Schlagzeilen mit folgendem Zitat: "Münchener Arena soll beim Ungarn-Spiel in Regenbogenfarben leuchten und Neuer trägt die Schwuchtelbinde statt unsere Nationalfarben." In den USA sind die Akzeptanzwerte seit der Eheöffnung 2015, d.h. in vier Jahren genauso viel gestiegen wie in den knapp 15 Jahre zuvor (13%). USA bleiben, nach Umfragen in der Bevölkerung, unter den am wenigstens akzeptierenden Ländern im Westen. In 69 Staaten unserer Welt ist Homosexualität bis heute strafbar, in 15 Ländern ist die Todesstrafe für das Vergehen „gleichgeschlechtlicher Sex“ im Gesetz verankert, auch wenn sie nicht immer ausgeführt wird. Unter anderem angewendet werden Todesstrafen in Ländern wie Jemen, Libyen, Afghanistan, Sudan, Mauretanien, Pakistan sowie die Teile Nigerias und Indonesiens. Das Sultanat Brunei hat die Todesstrafe durch Steinigung erst 2019 offiziell eingeführt, praktiziert sie nach internationalen Protesten bisher aber nicht. 31 Länder ahnden Homosexualität mit Haftstrafen von bis zu acht Jahren, 26 Staaten sogar mit zehn Jahren bis zu lebenslänglich.

In Polen bezeichnete der Chef der rechtsnationalistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Homosexuelle als Bedrohung. Auch in Russlands politischen und religiösen Führungskreisen sei schwulen- und lesbenfeindliche Hassrede weit verbreitet, rügte kürzlich der Europarat. Seit 2013 bestraft in Russland ein Gesetz gegen homosexuelle Propaganda jene, die sich in Anwesenheit Minderjähriger positiv über Homosexualität äußern. Mit homophoben Aussagen schockiert auch regelmäßig Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Er sagte etwa, es wäre ihm lieber, sein Sohn wäre tot als schwul. Um diesen Stand heute zu erreichen, wurde ein sehr sehr langer und harter Weg beschritten, denn die Verfolgung homosexueller Männer reicht im deutschsprachigen Raum bis zu den Anfängen des Christentums. Nachstehend ein Abriss der Geschichte seit dem Deutschen Reich bis heute: Während des Deutschen Reiches war Homosexualität wegen der damals herrschenden Moralvorstellungen gesellschaftlich und politisch geächtet und gipfelte darin, dass am 15. Mai 1871 der § 175 eingeführt und damit sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts im ganzen Kaiserreich unter Strafe gestellt wurde.

1897 begann mit der Gründung des „Wissenschaftlich-humanitären Komitees“ (WhK) die erste organisierte homosexuelle Emanzipationsbewegung und die erste Petition wurde gegen den § 175 eingebracht. 1898 wies August Bebel, Vorsitzender der SPD und Unterzeichner dieser ersten Petition, darauf hin, dass die Berliner Polizei Listen mit Namen von Homosexuellen führe, die später als Rosa Listen bezeichnet wurden. In den Jahren 1907 bis 1909 kam es auf Basis dieser Listen zu einer Reihe von Gerichtsverfahren wegen homosexuellen Verhaltens. 1933, schon kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden im März die lesbischen und schwulen Lokale Berlins geschlossen. Homosexuelle standen der Ideologie der Nazis entgegen, da sie nicht zur Fortpflanzung der „Herrenrasse“ beitrugen und galten deshalb als „auszurotten“. Lokale, Vereine, Verlage sowie Zeitschriften wurden aufgelöst, verboten, zerschlagen und zerstört. Im Herbst 1934 setzte die systematische Verfolgung homosexueller Männer ein. Der oben genannte Paragraph 175 wurde verschärft. Theoretisch sollte nun bereits das „bloße Anschauen des geliebten Objekts“ oder das „bloße Berühren“ dafür ausreichen, bestraft zu werden. Auch das bisher straffreie „Streicheln, Umarmen, Küssen u. dgl.“ wurde nun mit Gefängnis bedroht. Die Rosa Liste enthielt schließlich Dateien von etwa 100.000 als homosexuell bestrafter oder verdächtiger Männer. Insgesamt etwa 10.000 Homosexuelle Männer wurden in Zuchthäusern und Gefängnissen, aber auch in den Konzentrationslagern durch Folter und Misshandlung zu „freiwilligen“ Anträgen auf Kastration genötigt und kastriert. Viele Fragen zu der Situation der Lesben in jener Zeit sind noch offen: zu Unterdrückung und Verfolgung und grundlegend zu ihrem Leben in einem „Männerstaat“, der Frauen aus dem öffentlichen Leben drängte, sie ideologisch auf die Mutterrolle festlegte und ihnen zumindest in den ersten Jahren ab 1933 durch Einschränkungen der Berufstätigkeit die eigenständige Existenzsicherung außerhalb einer Ehe erschwerte. Ein weiteres noch wenig erforschtes Feld ist die Situation von transgeschlechtlichen Menschen im Nationalsozialismus. Am 10. Mai 1957 entschied das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland: Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz. 1957 hingegen in der DDR, wurde der §175 auf sexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter 21 Jahren beschränkt, später erst auf 18 und schlussendlich auf 14 Jahre herabgesetzt. 1969 wurde gleichgeschlechtlicher sexueller Verkehr in der BRD bei einem Schutzalter von 21 Jahren entkriminalisiert: Seit 1969 war Homosexualität unter Erwachsenen in Westdeutschland damit straffrei. Das bedeutete aber nicht, dass damit Toleranz oder Akzeptanz sich einstellte: Homosexualität galt als Laster der Bourgeoisie. Schwul-lesbische Emanzipation wurde unterbunden. Die „zweite Welle“ der Lesben- und Schwulenbewegung als eine soziale Bewegung, wurde durch den Stonewall-Aufstand vom 28. Juni 1969 in New York City katalysiert. In Deutschland gilt die Uraufführung des Films „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, 1971 als Initialzünder der Schwulenbewegung, woraufhin sich die Homosexuelle Aktion Westberlin (HAW), die Rote Zelle Schwul (RotZSchwul) in Frankfurt, die Homosexuelle Aktion Köln (HAK) und viele mehr gebildet haben. Es wurde versucht, die öffentliche Wahrnehmung der Identität und die symbolische Bedeutung der Homosexualität zu ändern. Dabei eignete sich besonders in Deutschland, die vorwiegend studentisch geprägte Schwulenbewegung, den Begriff „schwul“ an, um der Bezeichnung den Schimpfwort Charakter zu nehmen, aber auch um die Öffentlichkeit zu einer Auseinandersetzung mit ihren Vorurteilen zu provozieren. Die Lesbenbewegung verschmolz zu einem großen Teil mit der Frauenbewegung und prägte dort das Paradigma des Lesbischen Feminismus und ging insbesondere auf den zweiten Jahreskongress zur Vereinigung der Frauen am 1. Mai 1970 zurück, wo bei einer Veranstaltung das Manifest der Frauenidentifizierten Frau verteilt wurde. Darin hieß es: Was ist eine Lesbe? Eine Lesbe ist die Wut aller Frauen, verdichtet bis zum Punkt der Explosion. Lesbisch ist das Wort, das Etikett, der Zustand, der Frauen auf Linie hält. … Lesbisch ist ein Label, das vom Mann erfunden wurde, um es auf jede Frau zu werfen, die es wagt, seinesgleichen zu sein, seine Vorrechte in Frage zu stellen … das Primat ihrer eigenen Bedürfnisse zu behaupten. Es ist das Primat von Frauen, die sich auf Frauen beziehen … die Basis für die Kulturrevolution. 1972 wurde in Münster die erste Schwulendemo in der Geschichte der Bundesrepublik durchgeführt. In den 1980er Jahre der BRD erhöhte sich allein zwischen Dezember 1980 und Mai 1986 die Zahl der lesbisch-schwulen Emanzipationsgruppen von etwa 148 auf 416, unter anderen 1982 der Lesbenring als Dachorganisation lesbischer Frauen und 1986, als dessen schwules Pendant, der Bundesverband Homosexualität (BVH). Ebenfalls in den 1980er-Jahre warf plötzlich die damals noch sehr unbekannte und somit unerforschte Immunschwächekrankheit AIDS einen Schatten über die Emanzipationsbewegung. Etliche Menschen starben in den folgenden Jahren, darunter auch prominente Aktivisten. Die Krankheit galt ausschließlich als Krankheit der Homosexuellen, weswegen vermutlich der Kampf gegen sie mit nicht allzu viel Energie betrieben wurde. Eher gegenteilig war die Gesundheitspolitik eher Repressiv, was auch nach der Forderung des Politiker Peter Gauweiler, 1986 die Einrichtung von Internierungslagern für Aids-Kranke, zu schließen ist. Dies bedingte eine Sinnkrise der Bewegung in den kommenden Jahren. Menschen innerhalb der Szene wurden zunehmend unpolitisch, weshalb aufgrund dieser Tendenzen einige ehemalige Aktivisten die Lesben- und Schwulenbewegung 1989 für gestorben erklärten. Dann plötzlich beginnend mit den 1990er-Jahren die Zahl der Teilnehmer an den bundesdeutschen CSDs (in Berlin etwa 500.000 Personen) explodierte. Der Deutsche Bundestag vereinheitlichte 1994 im Zuge der Rechtsangleichung nach der deutschen Wiedervereinigung durch Aufhebung des § 175 das Schutzalter für Homo- und Heterosexuelle gleichermaßen auf 14 bzw. 16 Jahre. Dadurch sank mit Wirkung zum 10. März 1994 das Schutzalter für Homosexuelle in Westdeutschland, während es in Ostdeutschland für Homo- und Heterosexuelle in Teilbereichen stieg. Erst am 17. Mai 1990 strich die WHO Homosexualität von ihrer Liste der psychischen Krankheiten (2018 folgte die Transidentität). Ab dem Ende der 1990er Jahre wurde in Deutschland um die staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren gekämpft, die im Februar 2001 zur Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes führte. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil von 2002 nur entschieden, dass der Gesetzgeber Lebenspartner mit Ehegatten gleichstellen darf, aber nicht, ob er das auch muss. Darum ging dann der Streit bis 2014. Seit 2017 können gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen werden.

Die Nodoption Initiative kämpft derzeit dafür, dass Elternschaft ab Geburt auch für Partner*innen der Mutter in Regenbogenfamilien vor dem Gesetz gültig ist, ohne das unpassende Verfahren der Stiefkindadoption.


Ja, die letzten 50 Jahre haben sich einige Dinge in eine positive Richtung entwickelt, viele Länder bieten Gleichstellung, Partizipation, Inklusion für Menschen aus der LGBTQIA* Community. Global betrachtet ist der Kampf für die Freiheit und Selbstbestimmung aller Menschen aber noch ein harter, langer Weg.


Folge deshalb unserem Aufruf




 
 
 

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